Kindle 4: Der bessere Kindle Keyboard?
Amazons eReader Kindle 4 ist klein, leicht und vor allem preiswert. Er soll den elektronischen Lesegeräten in Deutschland endgültig zum Durchbruch verhelfen. Nachdem wir bereits einen ersten Eindruck des neuen eReaders im Video festgehalten und die Frage, ob es sich dabei um einen Kindle 4 handelt, mit einem klaren „Vielleicht“ beantwortet haben, folgt nun der ausführliche Test des Kindle 4. Hat der 99-Euro-Kindle der vierten Generation das Zeug zum Bestseller?
Hinweis: Dieser Test stammt aus dem Jahr 2011; der hier getestete Kindle 4 ist nur noch gebraucht erhältlich.
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Der Kindle „4“ – deutlich kleiner und schneller
Als Nachfolger des überaus erfolgreichen Kindle 3, heute auch als Kindle Keyboard bekannt, liegt eine schwere Last auf den Schultern des neuen Kindles der vierten Generation, von Amazon kurzerhand „Kindle“ eReader getauft. Mehrere Tage haben wir den neuen Kindle dafür auf Herz und Nieren geprüft.
Fast schon zierlich wirkt Amazons E-Book-Reader, wenn man ihn das erste Mal in den Händen hält. Wer den Vorgänger kennt, für den ist der Unterschied besonders krass: Amazon hat den neuen Kindle um 18 Prozent in der Größe geschrumpft. Aber auch eReader-Neulingen erscheint der Kindle klein, da er sogar die meisten Taschenbücher in ihrer Größe unterbietet.
Das kompakte Reader-Format erreichte Amazon in erster Linie durch das Streichen der Tastatur. Die Displaygröße hingegen blieb unverändert und ist nach wie vor sechs Zoll groß bei einer Auflösung von 600 x 800 Bildpunkten.
Auch beim Gewicht lässt der Kindle die meisten Bücher hinter sich. Mit 170 Gramm ist er nicht nur 30 Prozent leichter als der Kindle 3, sondern auch gut fünf Mal leichter als ein normales gebundenes Buch. Gleichermaßen gewinnt der Kindle den Gewichtsvergleich gegen die meisten Taschenbücher – wenn man die winzigen Reclam-Ausgaben einmal außen vor lässt. Die Arme werden mit dem Kindle also weniger schnell müde, als das bei einem normalen Buch der Fall ist.
Schönes Display, keine Audiofunktionen
Doch wie sieht es mit den Augen aus? Der neue Kindle 4 setzt auf ein E-Ink-Display, welches dem des Kindle Keyboards entsprechen soll. Wie überzeugend es sich schlägt, werden wir später noch klären.
Für Freunde des gesprochenen Wortes gibt es eine herbe Einschränkung. Der Kindle 4 hat keine Lautsprecher, ja nicht mal mehr einen Audio-Aus- oder -Eingang. Features des älteren Bruders wie beispielsweise Text-to-Speech beherrscht das neue Modell also nicht. Und auch Freunde von Hörbüchern können mit dem neuen Kindle nicht glücklich werden.
Navigation ohne Tastatur
Wie bereits angesprochen, verfügt der Kindle eReader über keine maschinelle Tastatur. Die Navigation erfolgt über fünf Tasten am unteren Rand sowie ein Steuerkreuz, das besonders bei der Navigation durch die Menüs helfen soll. Das Umblättern erfolgt mit jeweils zwei Tasten am linken und rechten Rand des Kindles; der eReader ist also für Rechtshänder wie Linkshänder gleichermaßen geeignet.
Dazu gesellt sich ein Schalter am Boden des eReaders, mit dessen Hilfe man den Kindle einschalten, ausschalten oder in den Standby-Zustand versetzen kann. Neben dem Powerknopf befindet sich ein Mini-USB-Anschluss, der hauptsächlich zur Aufladung des Akkus dient, aber auch Daten von PCs auf den Kindle übertragen kann. Außer eines beiliegenden USB-Kabels fällt die Ausstattung spartanisch aus, wie man auch im Unboxing-Video sehen kann.
Schmerzlich vermisst man einen Adapter für die direkte Aufladung des Akkus per Steckdose. Lediglich ein Blick auf den Preis rechtfertigt diese Entscheidung. Wer trotzdem ein solches Netzteil erwerben will, kann dies direkt bei Amazon für knapp zehn Euro tun.
Solide Verarbeitung
Die Verarbeitung ist angesichts des Preises erstaunlich solide. Zwar setzt der Kindle hauptsächlich auf Plastik (lediglich die Ränder bestehen aus metallartigem Material), doch wirkt er durchaus widerstandsfähig. Alles sitzt fest. Glücklicherweise hat man auf den einen glänzenden Pianolack-Look verzichtet um sicherzustellen, dass der Kindle nicht zum Staubmagneten wird. Die hintere Plastikfront ist zudem gummiert, um einen besseren Halt beim Lesen zu gewährleisten.
Kindle 4 inside
Der neue Kindle erhält ein Speedupgrade. Ein schnellerer Prozessor sorgt unter anderem für einen fixeren Seitenaufbau. Die Navigation durch die wenigen Menüs erfolgt zum ersten Mal in deutscher Sprache: Mit Fug und Recht kann man also vom ersten deutschen Kindle sprechen.
Im Vergleich zum Vorgänger muss man aber auch Einbußen hinnehmen. Zwar muss ein Langzeittest den Akku noch auf den Prüfstand setzen, aber Amazon gibt die Laufzeit mit einem Monat im Vergleich zu den zwei Monaten des Vorgängers an (jeweils bei einer halben Stunde täglicher Nutzung). Das wären umgerechnet circa 15 Stunden, was schon gleich viel bescheidener klingt, zumal der Kindle seinen Strom hauptsächlich beim Umblättern verbraucht und die Aufladezeit mit drei Stunden nicht zu knapp ausfällt.
Update Februar 2012: Nach einigen Monaten Praxiserfahrung mit dem Kindle 4 können wir bestätigen, dass sich der Akku tatsächlich recht schnell entlädt. Lässt man den Kindle 4 drei bis vier Wochen unbenutzt im Regal liegen, ist der Akku mit ziemlicher Sicherheit leer. Beim normalen Lesen – wenn man also ein Buch innerhalb einiger Tage liest – macht sich diese Einschränkung aber kaum bemerkbar; Strom wird ja nur beim „Umblättern“ benötigt und da hält der Akku relativ lange (geschätzte 3.000 bis 4.000 Blättervorgänge). (Update Ende)
Auch der Speicher wurde halbiert, nun stehen nur zwei Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung, was – wiederum laut Amazon-Angaben – ungefähr 1.400 Büchern entspricht. Dieser Einschnitt ist allerdings, selbst wenn die eigene eBook-Sammlung mehr als 1.400 Bücher beträgt, wenig tragisch: Zusätzlich kann man bei Amazon seine Bücher auch gratis online speichern – in unbegrenzter Anzahl. Apropos Internet: Der neue Kindle unterstützt lediglich WLAN, 3G ist nicht implementiert.
Was kann der Kindle 4?
Neben dem primären Einsatzzweck – dem Lesen – beherrscht der Kindle noch ein paar andere Nutzungsmöglichkeiten. Auf jeder Seite lässt sich ein Lesezeichen anfügen, um schnell wieder auf wichtige Seiten zu springen. Allerdings wird dieser Methode wohl wenig Anwendung finden. Der Kindle merkt sich bei jedem Buch automatisch, wo Sie aufgehört haben zu lesen.
Interessanter ist da schon die Möglichkeit des Kindle 4, Zitate zu markieren. Das geht nicht nur einfach von der Hand, sondern ist auch deswegen sinnvoll, weil alle Zitate (genau wie Lesezeichen und Anmerkungen) unter dem Menüpunkt ‚Meine Clippings‘ abgespeichert werden und so übersichtlich zugänglich sind.
Gleiches gilt für die bereits erwähnten Anmerkungen, die man an jeder Stelle des Buches anfügen kann (auch wenn es – dank fehlender Tastatur – eher schwierig von der Hand geht).
Wörterbücher
Weitere unterstützende Methoden beim Lesen stellen die verschiedenen Wörterbücher dar. Mehrere einsprachige Wörterbücher sind auf dem Kindle 4 vorinstalliert, darunter auch der Duden. Mehrsprachige Wörterbücher kann man selber nachrüsten.
Die Benutzung des Wörterbuches ist kinderleicht: Sobald der Kindle-Nutzer mit dem Cursor über das gewünschte Wort fährt, poppt am unteren Bildschirmrand die gewünschten Information auf. Schmerzlich vermisst wird das groß angekündigte X-Ray-Feature. Es soll vorerst ausschließlich auf den Touch-Varianten des Kindles angeboten werden, die in nächster Zeit nicht auf dem deutschen Markt erscheinen werden. Ob es diesbezüglich ein nachrüstendes Softwareupdate für den Kindle-eReader geben wird, ist derzeit noch unklar.
Kindle-Browser
Auch ein Browser ist im Kindle von Bord. Unter dem Menüpunkt ‚Experimentell‘ kann man so die Weiten des Webs erkunden – theoretisch. Nicht nur die Navigation ist hakelig und kompliziert, es scheint sich dabei zudem auch um eine unstabile Version zu handeln. In unserem Test fror der Kindle mehrfach beim Surfen ein, einmal stürzte er sogar ganz ab. Wer nicht auf dem Kindle surfen, aber das Ersurfte lesen will, der kann sich auch Artikel aus dem Netz schicken lassen. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, sich allerlei Daten per Mail an den Kindle zu schicken oder schicken zu lassen. Dafür müssen Sie allerdings die Absenderadresse bei Amazon autorisieren.
Navigation in der Kindle-Welt
Ein großes Lob muss man an Amazon für die einfachen, gut strukturierten und wenig verschachtelten Menüs machen. Mit wenigen Klicks kommt man immer ans Ziel, langwieriges Suchen fällt aus. Die Benutzerfläche ist sehr intuitiv. Muss sie aber auch sein. Die größte Schwäche des neuen Kindles ist nämlich die anstrengende Navigation durch die Menüs. Alle Tasten des Kindles sind sinnvoll, aber durch den Wegfall der Tastatur und die fehlende Touchfunktion ist der Weg zum Ziel oft sehr langwierig.
Besonders mühevoll gestaltet sich die Texteingabe durch die virtuelle Tastatur. An das Schreiben von längeren Texten ist gar nicht erst zu denken. Wenn man sich aber erst einmal innerhalb eines Buches befindet, verschwindet dieses Problem. Die Seitentasten zum Umblättern sind leichtgängig und simpel, so dass man sich während des Lesens nicht mit Bedienungsschwächen herumschlagen muss.
Auch in der Version 4 unterstützt der Kindle das weit verbreitete Epub-Format nicht – auch wenn es Mittel und Wege gibt, es ihm beizubringen oder zu es zu nutzen. Die primäre Bezugsquelle von Büchern ist und bleibt Amazon. Das geht entweder direkt auf dem Kindle, der den Amazon-Shop praktischerweise direkt auf der Home-Seite verlinkt hat, oder am heimischen PC. In beiden Fällen wird – nur bei eingeschaltetem WLAN natürlich – das entsprechende Buch in Sekundenschnelle auf den Kindle geladen. Wegen der angesprochenen Schwierigkeiten bei der Navigation empfiehlt es sich aber, beim Schmökern auf einen PC zurückzugreifen.
Kindle 4: scharfer und schneller eReader
Das A und O eines eReaders ist natürlich sein Display. Nur wenn es gut ist, stellt sich auch Freude während des Lesens ein. Hier gibt sich der Kindle 4 keine Blöße. Umwerfend scharfe Textdarstellung, die auch den Vergleich mit einem echten Buch nicht verliert, wird hier abgeliefert. In seiner Beschaffenheit ähnelt das Bild weniger einem Computer-Display als vielmehr einer Art bedruckter Folie. Der Bild ist komplett blickwinkelunabhängig und spiegelt nicht. Einen Ausflug in die Sonne ist also keine Gefahr. Im Gegenteil: Das Display besitzt keinerlei Hintergrundbelichtung, was eine Lichtquelle – ganz wie bei einem echten Buch – obligatorisch macht. Auch deswegen verspürt man nach längeren Lese-Sessions keine Müdigkeit der Augen – E-Ink sei Dank. Ein Nachteil dieser Technik war bisher, dass bei jedem Umblättern der Bildschirm kurz schwarz wurde .
Hierbei handelt es sich nicht etwa um einen Fehler, sondern eine, der E-Ink-Technik geschuldete, Unerlässlichkeit. Trotzdem hat es Amazon geschafft, dieses Phänomen zu minimieren, so dass es mittlerweile nur bei circa jedem sechsten Seitenwechsel auftritt. Grund dafür ist der schnellere Prozessor (ein Freescale i.MX508 ARM Cortex-A8 mit 800 MHz), der noch andere Vorteile mit sich bringt. Der allgemeine Seitenaufbau ist rasend schnell, egal ob man nur schnell umblättern oder sich im Amazon-Shop umsehen will. Mittlerweile unterstützt der Kindle PDF-Dokumente, sämtliche Word-Formate, das hauseigene eBook-Format, HTML und einige Bildformate.
Fazit: Kindle 4 im Test
Als reiner eReader macht der Kindle 4 eine glänzende Figur, was vor allem im gestochen scharfen Bildschirm seine Ursache hat. Außerdem liegt er prima in der Hand und ist nicht zu schwer. Als lästig entpuppt sich dagegen die Navigation. Trotz einfacher Menüs liegt hier ganz klar das zentrale Problem des neuen Kindles. Gerade das Tippen ist ein echtes Geduldspiel. Auch wenn der große Wurf ausbleibt, so wird der Kindle mit der vierten Generation allein durch den Preis und die gute Bildqualität massentauglich, was den digitalen Buchmarkt in Deutschland weiter vorantreiben wird.
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Noch einmal die wichtigsten Daten im Überblick:
- Klein, kompakt und leicht
- Sehr preiswert
- Scharfes Display
- Amazon-Cloud
- Teils umständliche Bedienung
- Keine Hintergrundbeleuchtung
- Kein Sound
- Kein Epub-Support
Kurzvorstellung Kindle 4 (Unboxing, kein Test)
(Bildquellen: Amazon, Wikipedia, eigene)