Tolino Shine

 

 

 

Tolino Shine: ein E-Book-Reader zum „Anfassen“

„Tolino Shine“ steht für zweierlei: Einmal für einen recht tauglichen E-Book-Reader, viel wichtiger jedoch: für einen ersten Ansatz der deutschen Buchhandelsketten, Amazons Kindle-Welt etwas entgegenzusetzen. Auf beiden Gebieten ist noch einiges zu tun, wenn der Tolino ein Erfolg werden soll.

Hinweis: Dieser Test stammt aus dem Jahr 2013; der getestete E-Book-Reader ist in der Regel nur noch gebraucht erhältlich.

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Der Tolino Shine

Der Tolino Shine ist ein Gemeinschaftsangebot der Buchkonzerne Thalia, Weltbild, Hugendubel und Club Bertelsmann mit der Deutschen Telekom als Netzanbieter. Das Produkt wird auch zum großen Teil gemeinsam vermarktet. So hat uns Hugendubel ein auf die Marke Hugendubel gebrandetes Testgerät ausdrücklich im Namen aller fünf Beteiligten für zwei Wochen zur Verfügung gestellt. Dass es nicht egal ist, von welchem der Anbieter ein Kunde sein Gerät erwirbt, wird sich im Laufe des Tests zeigen.

Wer der Hersteller des Gerätes ist, haben wir bisher nicht herausgefunden. Lesen.net benennt „Longshine (eine Tochter von Netronix, die auch die E-Book-Reader unter anderem von Kobo und Bookeen bauen)“, und alle weiteren, die diesen Namen nennen, beziehen sich auf lesen.net. Aber diese Information wurde uns offiziell nicht bestätigt.

Wie die Marketingfachleute auf den Namen „Tolino“ gekommen sind, erschließt sich unserem Sprachgefühl nicht ganz. Die (einzige) etymologische Deutung für „tolino“, was ja wohl für „kleines tolo“ stehen soll, die wir auf http://www.internetslang.com/TOLO-meaning-definition.asp gefunden haben, kann den Sprachkünstlern wohl nicht für das Bild ihrer künftigen Kundin vorgeschwebt haben, aber was wissen wir schon?

Der Tolino Shine (Bild: Tolino)

Der Tolino Shine (Bild: Tolino)

Tolino-Hardware

Die Reader-Hardware ist technisch auf dem gleichen Stand wie Kindle Paperwhite und Kobo Glo. Diese drei bieten als Plus zu allen Konkurrenten auf dem deutschen Markt eine integrierte Beleuchtung und eine höhere Displayauflösung (1024 x 758 gegenüber 800 x 600 Pixeln).

Zum Gerät selbst ist noch zu sagen, dass es mit 183 Gramm in der leichteren Klasse mitspielt und mit Abmessungen von 175 x 116 x 9,7 mm fast deckungsgleich ist mit Kindle, Sony PRS-Tx und PocketBook Touch. Es hat mit vier GB einen relativ großen internen Speicher, der per Micro-SD-Karte um weitere 32 GB erweitert werden kann. Als Laufzeit nennen die Verkäufer 7 Wochen, was bei Viellesern genauso unrealistisch ist wie die versprochenen 6 bis 8 Wochen anderer Anbieter. Als „Zubehör“ liegt wie inzwischen üblich nur ein USB-Kabel bei.

Der Tolino Shine hat eine Android-Basis. Einige Hacker sind bereits seit Wochen dabei, die Software zu modifizieren. Bei Details wie der Schriftauswahl, der Silbentrennung und dem Austausch der „Bildschirmschoner“ sind Ergebnisse schon veröffentlicht.

Der Tolino ist der billigste der drei selbstleuchtenden Reader und hat als Alleinstellungsmerkmal eine Anbindung an eine für E-Book-Verhältnisse riesige Cloud von 25 GB, die über rund 12.000 Hotspots der Deutschen Telekom in Deutschland und natürlich über jedes heimische WLAN kostenlos erreichbar ist. Die Reader, die von Thalia bisher angeboten wurden und jetzt verramscht werden, kann man nicht ernsthaft in diese Reihe stellen.

Unterstützte Formate

Der Reader liest laut Eigenwerbung EPUB-, TXT– und PDF-Dateien. Für die ersten beiden Formate stimmt diese Angabe, für PDFs ist sie zumindest stark übertrieben. PDFs werden zwar angezeigt, das allerdings wie beim Kindle in einer für den Leser unzumutbaren Form. Da kein Text-Reflow stattfindet, kann man sich ein PDF nur in einer Volldarstellung der Seite (schon bei DINA5 zu klein auf dem Display) oder im Zoom auf einen Teil der Seite ansehen. Es gibt zwar eine Funktion „PDF zu Text“, doch arbeitet sie sehr schlecht. Die Umwandlung DRM-freier PDFs ins EPUB-Format erzeugt in manchen Fällen nur Zeichensalat, in anderen zwar einen weitgehend entzifferbaren Text, vergisst dabei aber leider, dass Leerzeichen zur Lesbarkeit eines Textes sagen wir einmal: hilfreich  sind …

(„DieBesitzerderkleinen,sauberenLäden,dieandereinzigenbreitenundschattigenHauptstraßeliegen,“).

Auf keinen Fall sorgt „PDF zu Text“ für bibliophile Freudensprünge.

Mit EPUBs kann der Tolino sehr gut umgehen.

Der Reader hat gute Standard-Vorgaben für die Textdarstellung und hält sich weitgehend an Vorgaben, die einem E-Book per CSS mitgegeben werden. Der Leser kann Schriftart und –größe leicht selbst einstellen, den Zeilenabstand und die Ränder jedoch nicht.

Beleuchtung und Bedienung des Tolino

Die Beleuchtung ist die nach unserem Empfinden angenehmste im Vergleich zu Paperwhite und Glo. Während beim Paperwhite häufig leichte Farbschatten (Wölkchen) auftreten und beim Glo die Lichtquellen im Rand zu sehen sind und gelegentlich Schatten werfen, wirkt das Tolino-Display gut ausgeleuchtet.

Die Bedienung ist relativ simpel, da es nur eine Schaltfläche mittig im unteren Rand des Gerätes gibt. Diese Schaltfläche bringt den Leser, falls er sich irgendwo verirrt haben sollte, zuverlässig auf die Startseite zurück. Von dort oder aus einem einzelnen Buch heraus hat er dann kontextsensitiv Zugang zu den möglichen Einstellungen für Gerät, Beleuchtung, Lesekomfort usw. Wenn man meint, dass man es für den Lesegenuss braucht, kann man sein Gerät auch mit Facebook verknüpfen.

Der Zugang zu den Anschlüssen, also zum Einschub einer Micro-SD-Karte, zum Micro-USB-Stecker und zur Reseteinrichtung ist am unteren Rand des Gerätes zu erreichen, vorausgesetzt man hat feste Fingernägel und den Mut, an der ziemlich hakelig wirkenden, aber solide schließenden Abdeckung Gewalt anzuwenden. Wenn man die Abdeckung herausgezogen hat, kann man Kabel oder Karte darüber oder darunter in den Tolino einführen, wenn die (Außen-)Beleuchtung hell genug ist, den Weg zu finden.

Der Tolino Shine (Bild: Tolino)

Der Tolino Shine (Bild: Tolino)

Das untere Drittel des Displays zeigt auf der Startseite „Empfehlungen“, also Werbung der verkaufenden Buchhandelskette, im oberen Bereich drei Buchcover, von denen das auf der linken Seite das aktuell gelesene Buch in etwas vergrößerter Darstellung zeigt, und die beiden anderen nach einem zumindest für uns nicht durchschaubaren System wechseln.

Die Bibliothek selbst lässt sich nach den Kriterien Aktualität, Titel, Autor und Zuletzt hinzugefügt ordnen, und das getrennt oder gemeinsam nach Cloud- und lokalem Buchbestand. Der Inhalt der Cloud wird dabei – auch wenn man offline ist – mit den Covern gezeigt, die oben rechts als Kennzeichnung ein Wölkchen tragen. Sobald man eines der Cover antippt, verbindet sich der Tolino selbsttätig mit der Cloud und lädt das Buch herunter. Das funktioniert schnell und zuverlässig.

In einigen Fällen wird das Cover eines heruntergeladenen Buches nicht angezeigt. Stattdessen steht dort „Eigenes Dokument. Leider kein Bild“. Woran das liegt, ist im Moment nicht klar.

An der Lesesoftware wird der Hersteller noch etwas feilen müssen. So blättert das Gerät zwar nur wenig, aber doch erkennbar langsamer um als seine Konkurrenten. Wenn man die Cloud vom heimischen Computer aus befüllt, wird der neue Inhalt auf dem Reader erst nach einem Neustart des Gerätes synchronisiert und angezeigt. Das kann je nach Umfang des Uploads eine längere Zeit dauern. Für April ist ein erstes Upgrade der Software angesagt.

Und wie ist der E-Reader nun?

Bisher liest sich unser Text als eindeutige Kaufempfehlung, und das ist er in gewissem Sinne auch: Wenn man PDFs einmal ganz vergisst (PDF ist sowieso kein E-Book-Format.), ist der Tolino Shine als reines Epub-Lesegerät mit seiner Cloud-Anbindung ein technisch ausgereiftes Gerät, das auf dem neuesten Stand ist, sehr gut in der Hand liegt und seinen Preis mehr als wert ist.

Die an anderer Stelle gefundene Kritik, das Gerät sei mausgrau und unscheinbar, mag für Leute, die an jedem Gerät das Abbild eines angebissenen Apfels für unabdinglich halten, nachvollziehbar sein. Uns hingegen gefällt die schlichte Eleganz, die nicht vom Lesen ablenkt. Sobald Updates die noch vorhandenen Schwächen beseitigen, kann die Zeitung mit den vielen Bildern und den großen Buchstaben den Reader als „VOLKS-EREADER“ anpreisen.

Für Umsteiger ist das Gerät besonders gut geeignet, da sie ihren bisherigen DRM-freien Buchbestand in die Cloud migrieren können. Dass es mit DRM-geschützten Büchern auch geht, hat man uns zwar versichert, aber wir haben es bisher nicht geschafft. Das liegt aber weniger am Tolino als am DRM.

Fazit Tolino Shine: Gelungenes Debüt

Der Tolino Shine liefert eine solide Vorstellung ab, die trotz einiger kleiner Schwächen Lust auf mehr macht. Vor allem die Epub-Unterstützung und die Tatsache, dass man nicht an den Kindle-Store gekettet ist, dürfte viele potenzielle Interessenten zum Kauf verleiten. Wenn das Tolino-Konsortium den E-Book-Reader konsequent verbessert, dürfte hier der erste ernstzunehmende Kindle-Konkurrent sein Debüt gefeiert haben. Wir bleiben am Ball.

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Noch einmal die wichtigsten Daten im Überblick:

  • Epub-Support, keine Amazon-Bindung
  • Leicht, kompakt und handlich
  • 4 GByte interner Speicher
  • (Mikro-)SD-Karten-Support (bis zu 32 GByte)
  • Integrierte Hintergrundbeleuchtung
  • Gutes Display
  • Schlechter PDF-Support
  • Teils träge Bedienung, lange Reaktionszeiten

 

Kurzvorstellung Tolino Shine (kein Test)

 

(Bildquellen: Amazon, Wikipedia, eigene)

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