E-Book-Reader haben sich ihren Platz im Technikmarkt erobert und die Position gefestigt. Das war nicht immer so und manch ein Kritiker glaubte gar an das schnelle Verschwinden von Kindle & Co. Doch warum haben die Geräte so viele Freunde gefunden und weshalb sind von einst so vielen heute nur noch zwei große Anbieter übriggeblieben? Unser Artikel blickt zurück in die spannenende und abwechslungsreiche E-Book-Reader-Geschichte.

Ein Rückblick auf E-Book-Reader und deren Entwicklungsgeschichte

Ein Rückblick auf E-Book-Reader und deren Entwicklungsgeschichte

Die Anfangsjahre

Das Jahr 2007 gilt als Meilenstein und Geburtsstunde der E-Buch-Branche: In diesem Jahr stellte Amazon den ersten „Kindle“ vor und eröffnete so einen völlig neuen Markt.

Charakteristisch für die Sony-Reader war das Drehrad, das bei frühen Modellen sogar zweifach vorhanden war (Bild: Wikipedia, Rami Selin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Charakteristisch für die Sony-Reader war das Drehrad, das bei frühen Modellen sogar zweifach vorhanden war (Bild: Wikipedia, Rami Selin, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Das erste Gerät mit „elektronischer Tinte“ war es allerdings nicht. Schon drei Jahre zuvor hatte Sony mit dem Librié ein Lesegerät präsentiert, das gestochen scharfe sowie flimmerfreie Buchstaben zeichnete und zudem kaum Strom benötigte.

Die Display-Qualität dürfte viele Nutzer von Mobilgeräten schockieren: es sieht eher nach Papier aus als nach dem Computer-Bildschirm“, zeigte sich etwa der britische „Guardian“ begeistert. Dennoch blieb dem Sony-Gerät kaum mehr als ein Achtungserfolg beschieden. Der Fokus auf den japanischen Markt und die fehlenden Inhalte waren neben dem Preis von mehr als 300 Euro die größten Handicaps des Vorreiters.

Der Durchbruch

So blieb es Amazon vorbehalten, die ersten wirklich populären Lesegeräte zu entwickeln. Der Erfolg beruhte aber auch darauf, dass Amazon zum Start jede Menge Inhalte anbieten konnte; der Buchriese war damals bereits der weltgrößte Online-Händler bei gedruckten Büchern und E-Books entsprachen bis dato lediglich mehr oder weniger aufwendig gestalteten PDF-Dateien, die man ausschließlich an PC oder Laptop lesen konnte.

Mit den „Kindle“-Modellen änderte sich das schlagartig: Flimmernde Textwüsten gehörten von nun an der Vergangenheit an und dank des internen Speichers konnten mehrere hundert Bücher problemlos auf dem kleinen und leichten Gerät verstaut werden – ideal für Urlaubsreisen oder den morgendlichen Weg zur Arbeit. Diese Merkmale sind bis heute die wichtigsten Verkaufsargumente für die elektronischen Lesegeräte. Dennoch ist es Amazon zumindest in Europa nicht gelungen, gedruckte Bücher vollständig zu ersetzen. Viele Kindle-Käufer nutzen das Gerät ergänzend zu Papierbüchern und nicht als Ersatz für diese.

Kindle setzt sich durch

Der Kindle 1, der "Ur"-Kindle, erschien im November 2007 (Bild: Wikipedia, Jon ‚ShakataGaNai‘ Davis, Lizenz: CC BY 3.0)

Der Kindle 1, der „Ur“-Kindle, erschien im November 2007 (Bild: Wikipedia, Jon ‚ShakataGaNai‘ Davis, Lizenz: CC BY 3.0)

Nach dem Start im Jahr 2007 gab es zunächst enorme Lieferengpässe. Im Heimatmarkt, den USA, mussten Interessenten bis zu einem halben Jahr warten, ehe der heiß ersehnte „E-Book-Reader“ endlich im Briefkasten lag. Konkurrenz gab es in der Anfangszeit für Amazon mit Ausnahme von Sony praktisch keine. Lediglich einige kleinere Start-up-Unternehmen versuchten sich an eigenen Designs, die aber mehr oder weniger erfolglos blieben.

Nachdem sich 2009 gezeigt hatte, dass E-Book-Lesegeräte akzeptiert wurden und sich als eigenständige Hardwaregattung etablieren konnten, begannen sich auch andere Branchengrößen für die Technik zu interessieren. So entwickelte beispielsweise die amerikanische Buchhandelskette Barnes & Noble einen konkurrierenden Reader, der als „Nook“ im Jahr 2009 erschien – bis heute allerdings ausschließlich auf dem US-amerikanischen Markt.

Amazon vs. Sony

Der wichtigste Konkurrent blieb in der Anfangszeit jedoch Sony, wo man mit dem PRS-500 und später dem 505 die Schwächen des Librié ausbesserte und ein nahezu gleichwertiges Produkt entwickelte. Der 505 war gleichzeitig der erste Sony-Reader, der auch in Deutschland vertrieben wurde, ab 2008 nahm ihn die Buchhandelskette Thalia ins Sortiment auf.

Gegen die Marktmacht von Amazon konnten jedoch auch diese Geräte nichts ausrichten. Die Verzahnung von Online-Buchangebot und Lesegeräten erwies sich als größter Vorteil für den Kindle und sicherte Amazon die Vorherrschaft.

Stete Verbesserungen

Es wäre aber unfair, den Erfolg des Kindle nur auf die beherrschende Marktposition von Amazon zurückzuführen. Die Geräte waren durchgehend hochwertig und wurden von Amazon in einem jährlichen Turnus verbessert. Dabei boten die Reader immer ein gutes Verhältnis aus der bestmöglichen Technik zum kleinstmöglichen Preis – von vereinzelten Fehlschlägen einmal abgesehen.

Die Konkurrenten der Anfangsjahre waren in manchen Punkten schneller oder besser; Sony etwa präsentierte schon 2008 einen Reader mit integrierter Beleuchtung. Doch keiner lieferte eine so ausgewogene Zusammenstellung von Funktionen, Infrastruktur und ausgereifter Technik wie Amazon. Die integrierte Beleuchtung des Sony PRS beispielsweise war viel zu ungleichmäßig – das Gerät floppte.

Ab 2012 starteten E-Book-Reader auch hierzulande durch (Verkäufe für 2014 geschätzt; Quellen: Bitkom, GfK)

Ab 2012 starteten E-Book-Reader auch hierzulande durch (Verkäufe für 2014 geschätzt; Quellen: Bitkom, GfK)

Tablet-Boom

Anfang 2010 erschien mit dem „iPad“ der erste wirklich erfolgreiche Tablet-PC. Beobachter und Fachleute sahen damit das Ende für die eben erst gestarteten E-Book-Reader gekommen – schließlich konnte man auf den Tablet-PCs ebenfalls bequem lesen, gleichzeitig aber noch viel mehr Aufgaben erledigen.

Doch es kam anders. Die Kindle-Familie behauptete sich erfolgreich und die Verkäufe konnten sogar noch zulegen. Anwender schätzten offenbar die flimmerfreie Darstellung so sehr, dass sie lieber ein zweites Gerät kauften, als ausschließlich auf einem Tablet-PC zu lesen. Mehr noch: Amazon konterte mit einem eigenen Tablet-PC, dem „Kindle Fire“. Das Gerät war deutlich weniger leistungsfähig als Apple-Produkte, kostete dafür aber auch nur einen Bruchteil. Bis heute behauptet die Fire-Familie einen kleinen, aber konstant bleibenden Marktanteil.

Sony scheidet aus

Ab etwa 2011 zog sich Sony allmählich aus dem Readergeschäft zurück. Die Geräte der 2012er-Generation wurden kaum noch verbessert und der spät gestartete, eigene Buchshop konnte nie wirklich mit den Branchengrößen konkurrieren.

Just in diesem Moment präsentierte Amazon mit dem Kindle Paperwhite den bis dato besten E-Book-Reader. Eine integrierte Beleuchtung, das messerscharfe Display und der günstige Preis sorgten dafür, dass sich das Gerät millionenfach verkaufte. Gerade im deutschsprachigen Raum war der Paperwhite extrem erfolgreich und sorgte nun auch hierzulande für den endgültigen Durchbruch der Technik. Die stark steigenden Verkäufe im Jahr 2012 (siehe Grafik oben) sind praktisch ausnahmslos auf dieses Gerät zurückzuführen.

Die Tolino-Allianz

Mit dem „Tolino Shine“ bekamen die Kindle-Geräte 2013 Konkurrenz aus Deutschland (Bild: Thalia/Tolino-Allianz)

Mit dem „Tolino Shine“ bekamen die Kindle-Geräte 2013 Konkurrenz aus Deutschland (Bild: Thalia/Tolino-Allianz)

Deutschen Buchhandels-Riesen, die bislang nur zugesehen hatten, blieb der Erfolg nicht verborgen. Und die Firmen reagierten. Sie schmiedeten eine Allianz, zu der neben Buchhandelsketten wie Thalia, Weltbild, Bertelsmann und Hugendubel auch die Telekom (zuständig für die Anbindung des Readers an die Buchshops) sowie das Onlineportal Libri gehörten. Die Allianz entwickelte einen eigenen und neuen E-Book-Reader. Dieser erschien 2013 unter dem Namen „Tolino Shine“.

Das Gerät konnte technisch nicht ganz mit den damaligen Topmodellen mithalten, doch der günstige Preis und der Verzicht auf einen harten Kopierschutz sorgten dafür, dass der Reader schnell Freunde fand. Eine verbesserte Version bügelte als „Tolino Vision“ ein Jahr später viele Schwachstellen aus und das jüngste Modell, der „Tolino Vision 2“, war sogar wasserdicht.

In kürzester Zeit schaffte es die Allianz damit, zum härtesten Kindle-Konkurrenten aufzusteigen. Der Marktanteil liegt hierzulande mittlerweile bei annähernd 40 Prozent, jüngste Zahlen sprechen sogar davon, dass der Tolino den Kindle überholt hat. Auch die Tablets der Fire-Serie bekamen Konkurrenz – entsprechende „Tolino-Tabs“ konnten den Erfolg der E-Book-Reader bislang aber nicht wiederholen.

Weltweit gesehen liegt der Kindle aber noch klar in Führung. Kein Konkurrent hat auch nur annähernd den Marktanteil der Amazon-Geräte erreicht.

Tolino und Kindle-Marktanteile im Vergleich (Quellen: GfK, Buchreport, Tolino, Amazon)

Tolino und Kindle-Marktanteile im Vergleich (Quellen: GfK, Buchreport, Tolino, Amazon)

Namens-Schwierigkeiten

Für Verwirrung sorgt bis heute die unklare Trennung der Reader verschiedener Kindle-Generationen. Über Jahre hinweg hieß das Lesegerät schlicht „Kindle“, obwohl es mehrfach erneuert und in verschiedene Marktsegmente eingeordnet wurde. Alleine vom Kindle Paperwhite gibt es drei Versionen, die für Laien kaum voneinander zu unterscheiden sind.

Noch undurchsichtiger ist die Lage bei den Readern der Einsteigerklasse. Um einen Preis von 100 Euro und später noch weniger realisieren zu können, strich Amazon zunächst eine Reihe von Funktionen, darunter die Tastatur, den Lautsprecher und generell alles, was nicht unbedingt nötig war.

Als der Tiefpunkt erreicht war, kehrte Amazon die Entwicklung um und spendierte jährlich neue Funktionen. Erst gab es ein besseres Display, dann kehrte der Touchscreen zurück und womöglich wird auch dieser Reader bald eine integrierte Hintergrundbeleuchtung erhalten. Damit Sie den Überblick behalten, haben wir alle Modelle hier auf einer Zeitleiste angeordnet.

Blick in die Zukunft

Farbige E-Book-Reader konnten sich (noch) nicht durchsetzen (Bild: Pocketbook)

Farbige E-Book-Reader konnten sich (noch) nicht durchsetzen (Bild: Pocketbook)

Im Jahr 2015 nutzten rund 57 Millionen Menschen weltweit einen E-Book-Reader – Tendenz weiter steigend. So ist davon auszugehen, dass die Preise weiter fallen und die Geräte zunehmend leistungsfähiger werden. Als kommende Innovationen werden farbige, eventuell auch biegbare Bildschirme gehandelt. Einige Geräte mit farbigem Bildschirm gab es sogar schon. Eines der ambitioniertesten Projekte war der 2013 gestartete „Color Lux“-Reader des Schweizer Unternehmens Pocketbook.

Der E-Book-Reader bot ein farbiges Display, erreichte bei den übrigen Leistungsdaten aber nur durchschnittliche Werte. So war der Bildschirm recht grob aufgelöst, der Kontrast verbesserungsfähig und das Blättern der Seiten dauerte lange.

Mit einem Preis von knapp 250 Euro spielte der Color Lux zudem in der E-Reader-Oberklasse mit. Das wichtigste Merkmal aber, die Farbdarstellung, war keinesfalls perfekt: Die Farben wirkten etwas flau, vergleichbar mit dem Zeitungsdruck.

Mittlerweile ist der Color Lux nicht mehr verfügbar. Vielleicht wird Amazon die Technik in einem künftigen Produkt aufgreifen und verbessern – farbige E-Books wären der logische nächste Schritt und durchaus wünschenswert.

In Zukunft sind E-Book-Reader auch mit biegbaren Bildschirmen denkbar. Die Technik ist jedenfalls schon entwickelt (hier ein biegbares Display von Plastic Logic)

In Zukunft sind E-Book-Reader auch mit biegbaren Bildschirmen denkbar. Die Technik ist jedenfalls schon entwickelt (hier ein biegbares Display von Plastic Logic)

Bildnachweise: siehe Bilder und Bildnachweise

Siehe auch: E-Book-Reader-Meilensteine/Zeitleiste